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Alles unter einen Hut bringen

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Alles unter einen Hut kriegen - die Illusion von www.anyworkingmom.com

Beim Durchsehen meines Archivs habe ich einen Text von 2013 gefunden, der damals als Kolumne in der Berner Zeitung erschienen ist. Das Gefühl der Überforderung, das er transportiert, hatte ich seither immer wieder. Es ist unter anderem der Auslöser für diesen Blog. Vielleicht wisst ihr, was ich meine, aber lest selbst:

Jetzt sitze ich hier und heule. Weil wieder einmal alles zu viel wird. Bereits ist.

Wie soll ich bis morgen Abend eine Kolumne schreiben, ein Interview vorbereiten, dreizehn Texte lesen und dazu Titelentwürfe liefern und bei der amerikanischen Botschaft ein Visum beschaffen? Ich rechne in Stunden: Zwei, bis ich meinen Sohn von der Krippe abhole. Eineinhalb, wenn ich bis dahin nicht mehr so aussehen will, wie jetzt. Eine Stunde, wenn ich irgendwo noch Nahrungsaufnahme einplane.

Eine halbe – bald ruft ja noch eine Journalistin an, um zu fragen, „was ich eigentlich so mache“. Sie wird dann vielleicht auch die beliebte (und immer nur an Frauen gerichtete) Frage stellen, wie ich “denn das alles unter einen Hut kriegen würde”. Tue ich nicht. Den Hut lupfts immer wieder und ab und an platzt auch der Kragen.

Männer lassen sich da generell weniger stressen. Dann ist die nasse Wäsche halt seit gestern Abend in der Maschine, so what? Es hat nur noch Dosenravioli? Na dann. Du hast kein brandaktuelles Thema für Deine Kolumne? “Schreib doch über Strumpfhosen” (Originalzitat!).

Zurück zu mir. Die Journalistin hat angerufen und die erwartete Frage nicht gestellt. Dafür wollte sie wissen, ob ich mir ab und zu alte Folgen von “Joya rennt” oder “Bauer, ledig, sucht” anschauen würde. Klar, und in meinem Schlafzimmer hängen lauter Nacktbilder von mir und auf dem Spielplatz verteile ich ungefragt Autogrammkarten. Kommt vor allem bei den Expats immer voll gut an.

Er ist schuld. Immer. Auch wenn er Recht hat.

Dumme Fragen beantworten: Check. Selber schlauere Fragen stellen: immer noch ausstehend. Der Zeitdruck versetzt mich in eine Art Leichenstarre. Mein Hirn hat auch vorübergehend ausgesetzt. Die “Dead”-line hat ihren Namen redlich verdient. Kurzes Telefonat mit dem Mann. Ich tarne meine Überforderung geschickt als direkt platzierten ZS. Prämisse aller Streitereien: Er ist daran schuld. Auch wenn er gar nicht da ist. Also, vor allem dann. Weil…eben.

Wird es den Vätern zwischendurch auch mal zu viel? Ich habe noch keinen angetroffen, der seinem seelischen Druck “with a good cry” – wie die Amerikaner sagen – Abhilfe geschaffen hat. Eher wird der Zustand ignoriert, bis er einfach vorüber ist und sich das Problem von selber löst. Diese Zerrissenheit, das schlechte Gewissen gegenüber dem Kind und gegenüber dem Job, kennen Männer viel weniger als Frauen. Den nagenden Anspruch an sich selber, alles richtig und perfekt hinzukriegen, ist ein weiblicher. Warum kaufst du nicht einfach ein Brot anstatt selber eins zu backen? Warum sagst du die Verabredung nicht ab? Weshalb willst du dich jetzt noch umziehen? Frag doch, ob du den Kleinen noch etwas länger in der Krippe lassen kannst!

Die zwei schwierigsten Sätze: Er hat ja Recht. Es wäre ja so viel einfacher. Aber ich bin eine Frau. Und ich trage ab und zu Strumpfhosen. Woher soll er auch wissen, wie sich das anfühlt.

Der Beitrag Alles unter einen Hut bringen erschien zuerst auf Anyworkingmom.


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